cantus planus hat geschrieben:Caviteño hat geschrieben:Dazu Interview mit dem Präsidenten des BVerfG:
Für eine Abgabe weiterer Kernkompetenzen an die Europäische Union dürfte nicht mehr viel Spielraum bestehen. Wollte man diese Grenze überschreiten, was politisch ja durchaus richtig und gewollt sein kann, müsste Deutschland sich eine neue Verfassung geben. Dafür wäre ein Volksentscheid nötig. Ohne das Volk geht es nicht!
(Hervorhebungen von mir.)
Neue Verfassung? Volk? Abstimmung?
Als ob in europäischen Fragen jemals der Wille des Volkes interessiert hätte,
Was hast du denn? Der europäische Verfassungsvertrag ist an zwei Volksabstimmungen gescheitert. Und Voßkuhle hat nirgendwo gesagt, dass für die bisherigen Integrationsmaßnahmen eine neue Verfassung nötig gewesen wäre, sondern dass es bei noch weiter gehenden Maßnahmen nötig sei.
und als ob es überhaupt eine deutsche Verfassung gäbe, über die jemals abgestimmt worden wäre
Das spielt doch keine Rolle. Das Grundgesetz kann nur durch eine neue, vom Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung außer Kraft gesetzt werden (Art. 146 GG). Das ist geltende Rechtslage, eine Abstimmung über das GG an sich dagegen nirgendwo jemals kodifiziert worden (Ob man es nicht dennoch mal hätte tun sollen, ist eine andere Frage, aber bei dem von den Deutschen an den Tag gelegten Verfassungspatriotismus (R. Weizsäcker) wäre das Ergebnis sicher keine Verwerfung gewesen. So zu tun, als sei das GG ein Oktroy, den keiner haben wollte, geht an der Realität vorbei).
Darauf hat Voßkuhle angespielt. Die Bundesrepublik darf sich an Europa beteiligen, aber sie darf Europa eben keine Kompetenz-Kompetenz erteilen, sie muss also selber entscheiden können, welche Kompetenzen sie Europa überträgt und welche nicht. Wenn das nicht mehr gewünscht ist, dann bräuchte es eine neue Verfassung, schon weil die entsprechenden Artikel durch die sog. Ewigkeitsklausel (Art 79 III) geschützt sind.
und als ob nicht noch jedes Gesetz solange verbogen worden wäre, bis es zur Lissabondiktatur passte.
Vertrag. Das ist allerdings bedenklich, hat aber mit den Aussagen Voßkuhles nichts zu tun. Er sagt, was sein müsste, nicht, was Politiker tun.
Hier sieht man wirklich frappierend deutlich, wie korrumpiert das "Bundesverfassungsgericht" mittlerweile ist. Unkenntnis in der Sache kann man einem Volljuristen wohl kaum unterstellen, nachdem sogar ich als juristischer Laie sehe, was da los ist.
Meines Erachtens hast du den Präsidenten eher mißverstanden. Angesichts dieser logischen und verfassungsrechtlich einwandfreien Aussage von einer "Korrumption" zu reden, ist jedenfalls nicht besonders einsichtig. Es ist auch deshalb nicht einsichtig, weil Voßkuhle gerade sagt, dass eine weitergehende europäische Einigung mit dem bestehenden Rechtsrahmen nicht geht. Das widerspricht doch eher dem, was die Politik denkt. Ob sie es unternehmen wird, trotz den Regelungen des GG eine weitergehende Einheit zu versuchen, das bleibt abzuwarten. Der Vorsitzende Richter des zuständigen Senats jedenfalls hat damit schon mal klar gesagt, wie er dazu steht.